Ende September 2024 war es so weit.
Im ersten Schritt auf dem Weg zu unserer Gebärmutter haben wir einen riesigen runden Boden gefilzt. Dieses erste Projekt war uns selbst als Gruppe gewidmet. Trägt der Boden? Halten wir mit- und zueinander die Vor- und Nachwehen aus? Legt uns diese Geburt Vertrauen und Flexibilität zu Füßen und trägt uns weiter – dieser Boden aus Wolle?
Ähnlich wie bei einer Geburt haben wir verschiedene Phasen erlebt.
Die Geburtsvorbereitung
Visionen, Wünsche, Ideen, Planungen, Befürchtungen. Das Ganze vor und zurück. Vor allem vor.
Aus 18 kg purer Wolle vielfältigster Schweizer Schafe. Von der Schwarznase bis zum Walliser Bergschaf zupften wir während wir sprachen und sprachen während wir zupften. Manchmal singend. Kinder wurden während dessen gestillt und Tränen getrocknet. Die wiederkehrenden Handgriffe legten Routine in die Arbeit und Ruhe in unseren Geist.
Die Eröffnungsphase
Es kommt anders als man denkt und plant.
So hat uns beispielsweise das Wetter im wahrsten Sinne des Wortes ins kalte Wasser geworfen. Was am Dreisamstrand geplant war, fand mit Improvisation und viel Zuversicht eine offene Tür im Haus der Jugend. Sie wurde uns mit Selbstverständlichkeit und Vertrauen geöffnet. und wie wir merkten, ging die Tür auch nach innen auf .Zu uns.Zum Herzen. Da ist viel Dankbarkeit.
Der Ort der Niederkunft wurde ausgelegt. Schicht für Schicht, Wolle auf Wolle. Warmes Wasser floß durch unsere Hände zu den Fasern in denen sich nun wie zum Treueschwur, eine Haarsträhne jeder Arbeiterin zart verwoben hat.
Die Austreibungphase
Blut, Schweiss und Tränen oder
Verzweiflung und Hingabe liegen manchmal nah beieinander.
Nachdem sich die Wollfasern fest ineinander verbunden haben, verbindet uns die gemeinsame Anstrengung. Mit ganzem Körpereinsatz wird gewalkt, gerollt, gewendet, gepresst. Es ist naß, es riecht. Irgendwie brachial. Irgendwie zeitlos. Irgendwas hat die Führung übernommen und alles drum herum spielt keine Rolle mehr. Ein paar hundert Liter Wasser auf 4×4 Meter Wollerolle werden ausgetrieben und ausgewrungen. Im Rhythmus, oft nah am Boden, in Formation, am Schluß mit den Füßen wird gerollt, von einem zum anderen Ende. Eine Welle aus Kraft.Und es geht nur zusammen. Eine alleine, könnte den Teppich niemals bewegen. Umhüllt von Tüchern die das ausfließende Dreckwasser aufnehmen, ist der Wollknäul lang und schwer. Wie eine Raupe, die sich entpuppt.
Auswringen, Eimer leeren. Das Ganze nochmal und nochmal und nochmal. Alles ist eins. Erschöpfung wechselt sich mit Übermut ab. Es ist Mitternacht. Wir bekommen es nicht mit. Wir sind am austreiben. Es treibt uns aus.
Nachgeburtsphase
Ruhen, weinen, staunen, am Baby riechen.
Der Morgen danach. Es hat aufgehört zu regnen. Die Sonne tastet sich hervor, ein Feuer brennt, die Dreisam. Wir hiefen vorsichtig das Bündel zusammengerollter Wolle zum Ufer, legen ihn sacht auf eine Plane, breiten ihn aus und erst jetzt zeigt sich der Teppich im Tageslicht in seiner ganzen Pracht. Passanten sind neugierig. Sie fragen, wir antworten. Manche wundern sich, wir staunen. Noch einmal rollen und walken wir die letzte schwere Nässe aus den Fasern. Wir sind müde. Zu müde, um stolz zu sein. Dafür brauchen wir etwas Abstand. Abstandslos versammeln wir uns nochmal im Kreis. Er trägt. Dieser zauberhaft neugeborene Runde trägt.




